Ich schreibe Schatten in das Licht und hoffe auf mehr Licht im Schatten.
Die ersten Schatten
Die Schatten riefen mich - Nacht für Nacht.
Phantastische Geschichten sind der Schlüssel zu anderen Welten. Das Wegträumen aus dem eigenen Leben. Schon ganz früh habe ich es genutzt, um meine Gedanken in meinem Kopf in eine andere Richtung
zu lenken. Es wurde die beste Technik zum Einschlafen meines Lebens. Wenn ich gerade ein Buch gelesen hatte, dann ritt ich einfach auch auf den Drachen, beschwor Licht- und Schattenmagie,
bekämpfte Ungeheuer, ritt auf Werwölfen.
Immer mehr wurden daraus die eigenen Geschichten.
Die erste düstere Geschichte habe ich während meines Studiums geschrieben, obwohl es bei weitem nicht die erste düstere Geschichte war, die ich mir ausgedacht habe. Die kamen nämlich so früh,
dass ich mich manchmal frage, ob das eine wirkliche Erinnerung ist. Ich kann nicht älter als sechs oder sieben gewesen sein, als ich mir Geschichten von gefangenen Menschen in einem Turm
ausgedacht habe, die einander bekämpfen - und essen - müssen, weil sie sonst niemals aus dem Turm freikommen. Fragt mich nicht, woher ich das habe. Ich habe kein Trauma! Aber schon immer eine
blühende Fantasie und die gruseligsten Märchen - die, wo Riesen den Menschen die Augen rausnehmen - am liebsten gelesen. Aber auch wenn ich kein Trauma habe, so hatte ich doch schon immer Ängste.
Albträume und Furcht, die sich tief in mir verborgen hat und über die ich nicht gesprochen habe, außer in meinen Geschichten. Da waren sie und da leben sie noch heute. Wenn das Grauen mich packt,
dann weiß ich heute besser, wie ich es schreiben kann, damit es mich wieder loslässt. Es ist immer noch mein Weg raus aus der Angst und wahrscheinlich habe ich das als Kind schon gemacht, ohne es
zu wissen oder verstehen zu können.
Nicht Flucht, sondern Feuer.
Ich schreibe nicht, um zu fliehen. Ich schreibe, um hinzusehen.
Weil ich glaube, dass es in jeder Angst etwas ganz tief drinnen gibt, ein Feuer mitten drin, dass angeguckt werden will. Das angeschaut werden muss, damit die Angst losgelassen werden
kann.
Und weil ich mit meinen Geschichten zeigen will, dass es Wege durch die Dunkelheit gibt. Du musst nicht stehenbleiben, du darfst ins Licht gehen.
Der Weg zur Dunkelheit
Aber richtig düster wurde mein Schreiben erst, als ich auf die erste Ausschreibung vom Verlag der Schatten gestoßen bin: Zeitkapseln und ich spontan wusste: Da will ich hin! Ich liebe High
Fantasy, low Fantasy, Science Fiction und eigentlich die ganze Bandbreite der Phantastik. Aber die Düsternis, die liegt mir einfach, die fließt aus mir heraus. Vielleicht, weil ich darin so viel
Erlebtes aus meinem Dasein als Ärztin verarbeiten kann. Vielleicht bin ich auch einfach grausam in mir drin.
Meine Geschichten leben jedenfalls von menschlichen Abgründen, von der Psyche, die einen Knacks hat. Von einem Lebensweg, der die Figuren dazu bringt, zu handeln, wie sie handeln. Keiner ist
einfach nur böse, um des Bösen willen. Es gibt etwas, das sie antreibt.
Dann kam das Leben
Und dann war ich da. Mit Kurzgeschichten und einem Vertrag für einen Roman und meiner ersten geplanten Lesung auf der Leipziger Buchmesse. Was für ein Traum!
Aber es kam anders, denn es kam Corona und dann wurde ein ganz anderer Traum plötzlich wahr, nämlich die erste Schwangerschaft. Das Leben wurde von einer Sekunde auf die nächste komplett anders
und ich kam nicht mehr zum Schreiben, weil ich anders war. Ich war von einem Moment zum nächsten "nur" Mutter. Mit Ängsten und Sorgen, aber nicht in der Lage, in meine Fantasiewelten zu flüchten,
weil ich so vollends darin aufging. Ich hätte auch gerade in dieser ersten Zeit gar nichts Düsteres herausgebracht, weil ich diese so gefühlten Grausamkeiten zu diesem Zeitpunkt alle von mir
weggeschoben habe. Ich war durch und durch Licht - kein Platz für Finsternis.
Hast du schon einmal aufgehört, etwas zu lieben, weil dein Leben zu voll war? Und dann gemerkt, dass es immer noch da ist und leise tief in dir wartet?
Zurück bei den Schatten
Mein Baby wurde größer, ein zweites Baby kam und mit ihm der Wunsch, auch wieder ein Stück von mir selbst zurück zu erobern. Und dazu gehören meine Welten, meine Geschichten, mit allem Licht und
Schatten. Denn mittlerweile habe ich gelernt, dass ich nicht das Licht meiner Familie verdunkel, wenn ich den Rest der Welt und auch von mir sehe. Der lichte Teil wird nicht schlecht, weil es
auch Schatten gibt. Es darf beides sein.
Und dann sehnte ich mich plötzlich nach allem, was noch zum Schreiben gehört: Nach meinen Autorenkollegen und Verleger:innen und Bekannten aus der Phantastik. Nach der großen kleinen Bubble, in
der ich mich so Zuhause gefühlt habe. Nach Lesungen, nach auf der Bühne stehen und Menschen berühren, nach Theater und Auftritt. Und nach meinem Roman, nach meinen Figuren, die so geduldig (in
manchen Fällen auch wütend) auf mich gewartet haben, dass sie endlich weiterleben dürfen.
Es ist unglaublich, wieder mit den Figuren zu reden und zu leben. Gespräche mit ihnen zu führen, wie ich geworden bin, warum ich weg war und was aus ihnen in der Zwischenzeit geworden ist. Ob sie
noch am selben Punkt stehen. Ich glaube sogar, dass einige Charaktere an Tiefe gewonnen haben. Oder sie verraten mir jetzt mehr. Ich verstehe sie jedenfalls etwas besser, als hätte ich mehr über
ihre Geschichte gelernt.
Mehr Licht. Mehr Schatten.
Und da bin ich jetzt. Zurück bei einem so wichtigen Teil von mir und doch habe ich mich verändert durch die letzten Jahre. Ich sehe vieles jetzt schärfer, als hätte ich eine passendere Brille
auf. Ich sehe mehr Licht. Und mehr Schatten. Beides nebeneinander. Ich will diese Gleichzeitigkeit nicht nur fühlen sondern auch schreiben. Ich finde in meinen Welten auch das, was ich
schon immer in ihnen gefunden habe: Raum über das hinausgehend, was ich im Alltag habe. Flucht, vor schwierigen Situationen, Platz für meine Gefühle. Eine Möglichkeit zu wachsen
über das hinaus, was ich bin. Mehr sein. Mehr Erleben.
Es sind neue Themen aufgetaucht. Während mich immer schon die Grausamkeit des Lebens mit Krankheit und Tod beschäftigt hat, sind die menschlichen Abgründe noch stärker in den Mittelpunkt gerückt.
Das "Warum" des Bösen, das Heranziehen von Strategien, die so negativ in einer Gesellschaft sind. Und auch - bedingungslose Liebe als einzigen Ausweg.
Ich schreibe jetzt mit einem "jetzt erst recht", will den neuen Erfahrungen Raum geben. Will in die psychologischen Abgründe gehen und gleichzeitig den Weg zum Licht zeigen. Wenn meine Figuren
ihn denn finden können.
Ich will zum Nachdenken einladen und hoffe im Stillen, dass sich auch in der Gesellschaft ein winziges bisschen bewegt. Dass wir Dark Fantasy lieben dürfen - und es in der Realität ein Stück
weiter verschwindet.
Begleitest du mich?
Ich schreibe Schatten in das Licht und hoffe auf mehr Licht im Schatten.
Wenn du bereit bist, dann geh mit mir mit - und vielleicht findest auch du ein Licht darin, dass du nicht erwartet hast.
Willkommen in der Rückkehr.
Willkommen in meinen Schattenwelten. Vielleicht findest du dich darin mehr, als du dachtest.
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